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Simbabwe
Bodo Gaßmann
Von Büffeln und Menschen
Eine fiktive Erzählung (unvollendet)
Holden war Teil des Jagdbetriebes. Reihenabfertigung ausländischer Jäger. Bis zu sechs Pritschenwagen konnten gleichzeitig auf Tour gehen. Fahrt durch die Wildnis bis man auf Trophäentiere trifft oder deren Fährten ausmachen kann. Anpirschen, Schießen, Abtransport zum Camp, den Rest, die rote Arbeit, erledigen die Tracker, die am Tag für ihre anstrengende Arbeit so viel verdienen wie ein Hilfsarbeiter in Deutschland Stundenlohn bekommt. Oft ist das Trinkgeld höher als ihr Lohn. Den größten Gewinn macht neben der Regierung der Inhaber der Jagd, der in Bulawajo wohnt und alle Gelder über ein Konto in New York laufen lässt. Als ein Elefant gebracht wurde, genauer sein Haupt und die Decke, das Fleisch konnten sich die Tongaleute holen, hatte Holden zugeschaut bei dieser Arbeit. Teilweise mit selbst gefertigten Messern wurde der Schädel bearbeitet, ein Flaschenzug holte den Kopf beim Bergen vom Kastenwagen, für Hygiene sorgte nur eine Betondecke mit Blutrinne, in der oft nackte Füße wateten. In dem Trophäenschuppen lag etwa eine Tonne Salz, um die Decken zu trocknen, etwa zwanzig Schädel mit Gehörn bleichten außerhalb in der Sonne. Fünfzig Meter entfernt auf hohen Bäumen lauerten Geier in der Hoffnung sich Reste ergattern zu können. Doch das Fleisch, wenn es ins Camp kam, wurde restlos verwertet. Büffelzunge und Kudusteaks für die Jagdgäste, Eingeweide und Rippenfleisch für die Familien der Tracker.
Doch Holden wollte nicht ungerecht sein. Dieser Jagdbetrieb war, abgesehen von einer Krokodilfarm und einem Hotel am Karibalake die einzige Verdienstmöglichkeit für ca. 100 000 Tongaleute, die sonst nur Subsistenzwirtschaft betrieben, bestenfalls etwas Baumwolle für den Markt anbauten. Aber musste er sich das antun, viel Geld ausgeben, um ein Rädchen in diesem Jagdbetrieb zu werden. War nicht seine Jagd im heimischen Revier viel lohnender, dort, wo er sein eigener Herr war, wo er allein jagen konnte, wo er auch jenseits der Zivilisation war in seinem Baumsitz oder auf seinen Pirschgängen entlang der Weidenbüsche – nur ein wenig behindert durch sinnlose Vorschriften grüner Jagdgegner, die kein Gefühl für die Eigenheiten der Jagd haben. Und dennoch, als er jetzt hier auf dem Berg saß und in die weite Ebene bis zum Karibalake auf der einen Seite und zum Umeriver auf der anderen blicken konnte, wollte er diesen Anblick nicht missen.
„Ich hätte nicht schießen sollen“, dachte er. Sie gingen jetzt auf einem Tierpfad, aber die Sonne knallte auf seinen Kopf, denn den anderen Dreien schien sie nichts auszumachen. Heiß war es eigentlich nicht, doch ohne Schatten erschien die wellige Hochebene mit ihren verdorrten Gras den Büschen und zwerghaften Bäumen wie eine surreale Landschaft. Das gelbe Gras, die verwelkten Büschen, die verkrüppelten Bäume, die Gesteinsbrocken, die überall herumlagen, der flimmernde Übergang des nahen Horizonts zum Himmel, denn sie waren gerade in einer Senke auf dem Bergplateau. Nur wenn ein kleines Wölkchen kurz Schatten spendete, konnte er seinen Hut abnehmen. Regelmäßig wischte er sich dann den Schweiß ab, und wenn die Sonne wiederkam, kühlte der verschwitzte Hutinnensaum. Aber heiß war der Winter in Simbabwe nicht.
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Er war hierher gereist, weil die Jagd hier verglichen mit Tansania billiger war. Seinen Erfahrungen nach konnte er nicht klagen, sie gaben sich wirklich Mühe, ihn an die Tiere heranzuführen, die er schießen wollte. Jedenfalls soweit er das beurteilen konnte. Aber dennoch war für sie Jagd nur ein Geschäft. Routinemäßig fertigten sie die ausländischen Gäste ab. Als sie nahe genug an den Büffel auf dem Felsen herangekommen waren, forderte der Professionell Hunter ihn sofort auf zu schießen. Doch er hätte nicht schießen sollen. Ein liegender Büffel ist schwer tödlich zu treffen, und gerade dieses Schussbild hatte er nicht im Kopf. Alle möglichen Stellungen hatte er genau studiert, nur das war in dieser Situation wenig hilfreich. Jedes geschossene Tier bringt ihnen einen Gewinn ein, die Jagd selbst ist für sie aber auch ohne Erfolg des Jägers Gewinn bringend. Der Chef dieses Jagdgebietes hat sein Konto in New York und die Regierung, die gegen weiße Farmer hetzt, hat Reiseerleichterungen für Jäger aus Europa oder Nordamerika eingerichtet, die Jagd gehört zu den wichtigsten Einnahmequellen des Landes. Manche Jäger bilden sich sogar ein Entwicklungshilfe für die einheimischen Schwarzen zu leisten, aber er dachte das nicht. Gewiss, die Einheimischen bekommen einen großen Teil des Fleisches, aber er wusste auch, dass Jagdgebühren in den Taschen korrupter Politiker verschwanden. Später sah er die neue herrschende Klasse von Schwarzen in einem Luxushotel in Victoria Falls, wo sie ihren neuen Status repräsentierten, unansehnlich wie alle Parvenüs – was nicht heißt, dass die ehemals Herrschenden eine bessere Moral hatten. Noch aber war er auf dieser Hochebene und die Sonne brannte aus nördlicher Richtung auf seinen Kopf. Die beiden Tracker folgten einer Zebrafährte, sie sei einen Tag alt. Nun hofften sie, dass diese Herde gegen Abend wieder auf den Berg kommen würde, um hier zu übernachten. Auf dem Hügel waren sie sicherer vor Löwen als in der Ebene am Fuße des Berges, die dicht mit Bäumen bewachsen war, die auch noch Teile ihrer grünen Blätter hatten. Die Tiere waren in der Ebene an einer Wasserstelle oder gar am Ufer des Sees, aber zur Nacht bevorzugten sie diese wasserlose Hochebene. Auch er hatte den Fußabdruck im Sand begutachtet, doch ob diese deutliche Spur einen Tag oder eine Stunde alt war, konnte er nicht erkennen. So musste er sich blind auf die erfahrenen Tracker verlassen. Fatalistisch trottete er jetzt hinter Kenia und Ben her, der Professional Hunter ging etwas seitlich, und nur der Game Scout blieb hinter ihm. Holden hatte nicht nur mit der Sonne, sondern auch mit seinen Füßen zu kämpfen. Zuerst dachte er ein Steinchen sei in seinen Schuh gerutscht, doch als der ihn bei einer Verschnaufpause auszog, erwies sich die Druckstelle als Blase am linken Fußballen. So trottete er hinter den Tackern her, so geräuschlos wie möglich, so wenig wie möglich die Druckstelle belastend und ständig auf im dichten Gras verborgene Steine tretend, über sie stolpernd oder, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren, über sie mit einem Satz springend.
Warum tue ich mir das an? Was machst du hier oben eigentlich Mitten in Afrika, tausende Kilometer von zu Hause entfern? Nur durchhalten, wenn die anderen es aushalten, dann kannst du es auch. Bei der letzten Rast hatte er wahrgenommen, das Kenia schwitzt. Das hatte ihn beruhigt. Wenn sogar die Schwarzen schwitzen, dann brauchte er sich nicht zu schämen. Schließlich war es bereits der fünfte Tag, an dem sie durch den Busch pirschten. Den Berg hinauf und auf der steinigen Hochebene, diese Tour fordert ihn zum letzten Mal, bevor er sich einige Ruhetage gönnen würde. Seit zwei Stunden trottete er hinter den Trackern her, manchmal hatte er das Gefühl, dass sie ihn an der Nase herum führten, auf irgendwelche Anzeichen deutend, die er nicht verstand, im Kreis herum gehend in einem Gelände, dass er nicht kannte, oder auf Fährten zeigend und ihr Alter bestimmend, wo er nur einen deutlichen Zebraabdruck sah. Er musste sich fasst blind auf ihre Erfahrung, die er nicht kontrollieren konnte, verlassen. Also trottete er fatalistisch hinter ihnen her; jetzt nur durchhalten, nur keinen Fuß brechen, nur nicht alle zehn Minuten nach dem Wasser verlangen, das Ben in einem schäbigen Rucksack mitschleppte.
„Schickt keine Poeten nach London“, hatte Heine einst geschrieben, denn diese waren zu seiner Zeit Träumer und wurden von der Menschenflut der Großstadt einfach umgeschubst. Genauso hätte er sagen können: „Schickt keine Träumer in die Wildnis Afrikas, denn hinter jeden Felsen konnte ein wütender Büffel lauern, eine hungrige Löwin liegen oder eine Giftschlange zwischen den Steinen nicht schnell genug davongeschlängelt sein. Sie gingen jetzt schon seit einer Stunde ohne Pause auf der kargen Hochebene, Ihn tat bei jedem Tritt sein Fuß weh, er hatte Durst, obwohl er gerade getrunken hatte, der Tragriemen seiner schweren Hochwildbüchse schnitt in seine Schulter und er hatte nur ein Ziel – durchhalten, die Gruppe nicht aufhalten. Aber seine Gedanken waren frei, die körperlichen Strapazen hinderten ihn nicht daran zu träumen. Die Tracker hatten gute Augen, um gefährliche Tiere auszumachen, die Schlangen würden nicht den dritten auf dem Pfad angreifen und es war sein Stolz, die Büchse selbst zu tragen und nicht wie der andere Deutsche im Camp, der sie prinzipiell von einem Schwarzen tragen ließ. So konnte er es sich leisten zu träumen, ohne von der Wildnis verschluckt zu werden. Er stellte sich eine ideale Jagd in Afrika vor. Das war immer eine, bei der er allein dem Tier nachstellte. Bestenfalls einen guten Tracker bei sich, dessen Wissen beruhte auf langer Erfahrung, die Holden als Gelegenheitsjäger im fremden Revier nicht hatte. Der Zweck der Jagd war natürlich die Beute, aber eigentlich hatte er vor der „roten Arbeit“ einigen Widerwillen. Erfolg gehabt zu haben, ein Tier erbeutet zu haben, das war sein Ziel, seine Lust am Jagen, wenn man so sagen will. Nach längerer Anstrengung aller Sinne, aller Muskeln und Sehnen und des Verstandes das Tier erbeutet zu haben, das macht die Jagd so reizvoll. Man betätigte alle Fähigkeiten, die in der städtischen Zivilisation der Industriegesellschaft brach lagen. Bei der Jagd war man ganzer Mensch, nicht nur teildressierte Naturkraft wie in der Arbeitswelt, einseitig spezialisiert im arbeitsteiligen Produktionsprozess. Man war sein eigener Herr, nicht Angestellter oder Arbeiter. Man setzte selbst – jedenfalls in seinen Träumen – die Maßstäbe des Handelns. Doch da fiel ihm wieder die Büffeljagd vor drei Tagen ein. Der Professional Hunter hatte geflüstert: Schieß, Schieß hinter die Schulter, „behind the shoulder“, und er hatte geschossen, er hätte aber nicht schießen sollen.
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(weiter Aspekte)
Das Camp, mitten in der Wildnis mit jederzeit eisgekühltem Bier.
Verkauf von Romantik/ Illusionen / Stimmung
Ende Büffeljagd:
Sie waren den ganzen Morgen den Fährten gefolgt. Die Tracker verloren niemals den Anschluss. Einmal kamen sie den beiden Büffeln so nah, dass diese absprangen. Das war vor einer Stunde. Ben und Kenia leisteten gute Arbeit. Jetzt war es Mittag und die fünf Menschen, die durch den Busch schlichen, bemühten sich, nicht auf Äste zu treten, keine Steine ins Rollen zu bringen und keine Äste mit Geräuschen schnellen zu lassen. Nur Joe, der Professional Hunter, musste regelmäßig alle 10 Minuten eine Zigarette rauchen. Zum Glück gingen wir wie die Büffel vor uns gegen den Wind, so dass sie uns nicht winden konnten. Die Tracker und der Professional Hunter Joe waren ein wenig voraus, weil der Jagdgast stehen blieb und zu einem Felsen hinüber sah. Kurz hinter ihm – wie immer – der Game Scout, dessen Pflicht es war, jeden seiner Schüsse und Abschüsse zu registrieren und in sein Buch einzutragen. Er vertrat die Staatsmacht in der Jagdgesellschaft, obwohl er ein angenehmer Mensch zu sein schien. Holten nahm sein Fernglas an die Augen und schaute mit 10-facher Vergrößerung auf zu den Felsen hinüber. Die Färbung wies Unterschiede auf, als ob auf dem etwas helleren Stein ein dunkleres Tier lag. Aber außer dem Farbunterschied war nichts zu erkennen. Kein Kopf, keine Glieder, keine Bewegung. Wenn es ein Tier ist, dann muss es riesig sein, dachte Holten, vielleicht der Rücken eines Elefanten? Er zeigt mit dem Finger auf die Stelle und sah nach dem Game Scout hinter ihm. „Buffallo“, flüsterte dieser. Er war erfahrener und konnte den Büffel erkennen, obwohl sein Fernglas alt und schäbig aussah und nur eine 8fache Vergrößerung hatte. Später sagte Joe, dass er die Stelle auch betrachtet hätte, sie aber für einen Felsen hielt. Auch die beiden Tracker waren an dem Anblick vorbeigegangen. Holten lief nun zu den vor ihm und holte sie aus einem Wäldchen zurück, in dem sie schon zu verschwinden drohten. Jetzt bestätigten alle, dass es ein Büffel war, der sich dort zum Mittag niedergetan hatte. Es musste einer der Büffel sein, die sie den ganzen Morgen gefolgt waren, der andere musste hinter dem Felsen liegen. Joe geriet in Aufregung angesichts des möglichen Jagderfolges und trieb Holten an: „Come on, come on.“ Sie folgten nun nicht mehr der Fährte, die um eine Schlucht herum lief, sondern kletterten alle in die Schlucht hinunter, um sich den Felsen direkt zu nähern. Holten beschlich ein Gefühl der Freude. Er hatte den Büffel zuerst entdeckt, nicht die Einheimischen mit ihren geschulten Augen, er, der Städter, der Schreibtischmensch mit Brille, hatte seinen Bullen zuerst gesehen. Sie kletterten auf der anderen Seite der Schlucht nach oben. Nur jetzt keine lauten Geräusche machen, nur jetzt nicht abrutschen, nur die Ruhe bewahren, sich nicht von Joes Hektik anstecken lassen. Achte auf deinen Puls, damit du dann noch einen guten Schuss herausbringst, lieber langsamer die Schlucht hinauf, die Büffel werden nicht weglaufen. Wenn sie einmal liegen, dann dauert es einige Zeit, bis sie fertig sind mit Wiederkäuen. Er rutschte mit seinen hohen Jagdstiefeln aus, Kiesel rannen mit Geschepper in die Schlucht. Dann hatte er den Rand der Schlucht erreicht und sah den Büffel immer noch auf den Felsen liegen. Etwa 80 Meter vor ihm erhob sich eine dunkle Masse über einem etwas helleren Stein. Er lag leicht schräg zu ihm, aber wo der Kopf, wo das Hinterteil war, konnte Holten vor Aufregung nicht erkennen. Wieder trieb Joe zur Eile an. Sein „Come on“, aus den Mundwinkeln gepresst, sein ausgestreckter Arm auf Ben deutend, der das Dreibein schon aufgestellt hatte, signalisierten: Jetzt ist die Gelegenheit da, sonst wäre der Jagdtag umsonst gewesen, schieß und versuch dein Glück. Und dann: „Behind the shoulder“ (Hinter das Blatt) und wieder „behind the shoulder“. Wo aber war „the Shoulder“. An dieser dunklen Masse von Tierkörper? Holten flüsterte zu Joe: „What site ist the head?. Und Joe sagte ihm, es sei die rechte Seite. Aber an dieser Stelle hätte er eingreifen müssen . Sie hatten viel Zeit, der Büffel oben auf dem Felsen rührte sich nicht. Joe hätte seinen Jagdgast näher heran führen können, damit er die Körperteile des liegenden Büffels unterscheiden konnte. So aber drängte Joe weiter zum Schuss: „Behind the shoulder“. „Shoot, shoot“. Holten hatte seien .416“ Remington Magnum auf das Dreibein gelegt und zielte. Sein Puls hatte sich auf verträgliches Maß reduziert, er war innerlich ruhig, alles mögliche ging ihm durch den Kopf. Als er später diesen Augenblick rekonstruierte in seinen Erinnerungen, war ihm klar, dass er in diesem Moment nicht aufgeregter war als in seinen heimischen Revier, etwa wenn er auf einen Rehbock schoss. Er merkte sogar wie Ben, der zwei Meter neben ihm stand, sich die Ohren zuhielt. Wochenlang hatte Holten mit der Großwildwaffe auf dem Schießstand seiner Jägerschaft geübt. Er hatte sich die Schusspunkte auf dem Tierkörper eingeprägt, sogar Bilder mit Schusspunkten vergrößert und in seiner Wohnung aufgehängt: die Herz-Lungen Gegend, den Punkt auf dem Stich, die Stelle am Kopf, falls der Büffel angreifen sollte, den Schusspunkt von hinten auf die Wirbelsäule. Nur wo war das Blatt bei einem liegenden Büffel, dessen Kopf im Waldschatten nicht zu sehen war? Diese Situation kam in seinen Büchern nicht vor. Und vielleicht hätte man den Büffel leicht beunruhigen sollen, damit er aufsteht, um so eine bessere Möglichkeit zum Schießen zu haben. Aber dieser Gedanke ging ihm erst später durch den Kopf.
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Nun stand er vor seinem Dreibein, die Großwildbüchse im Anschlag, der Professional Hunter drängte zum Schuss und Holten tastete sich mit seinen vierfachen Zielfernrohr auf eine Stelle in der schwarzen Masse des riesigen Kolosses, wo er in der Verlängerung der Flugbahn Herz und Lunge vermutete. Er atmete tief durch, dann noch einmal, hielt den Atem kaum merklich an und erhöhte den Druck auf den Abzug, wie im Lehrbuch brach der Schuss überraschend. Den lauten Knall des Gewehres spürte Holten kaum. Hätte er nicht schießen sollen? Er hatte schon mehrmals keinen Jagderfolg, weil er gezögert hatte, um einen perfekten Schuss anbringen zu können. So ging ihm in Polen ein Hirsch durch die Lappen, weil er diesen nicht im langsamen Trab beschießen wollte. Nun, er hatte hier geschossen, seinen Büffel, für den er drei Jahre gespart hatte, um sich diese teure Großwildjagd leisten zu können. Jetzt war die Kugel aus dem Lauf. Was dann geschah wird bis zu seinem Ende in seiner Vorstellung eingegraben sein, als wäre es erst gestern passiert. Er wusste nicht genau, wo er abgekommen war, so dass er zweifelte, ob er überhaupt getroffen hatte. Nach einer Sekunde der Überraschung über den Schuss, hatte er seine Waffe repetiert. Da hörte er zunächst Steine poltern, als ob etwas einen Hang hinunterrollt. Dann identifizierte er das Getöse als Huftritte, und bald darauf sah er auch schon, wie die beiden Büffel hinter dem Felsen, auf dem der eine, den er beschossen hatte, lag, hervorbrachen und direkt auf die Gruppe der Jäger zuliefen. Sofort sprangen die Tracker zur Seite und duckten sich hinter die hier nur spärlich wachsenden Büsche. Auch Holten ging einige Schritte zurück und kauerte sich nieder. Wo Joe stand, konnte er nicht sehen, aber plötzlich krachte ein Schuss hinter ihm. Nur Joe hatte noch ein Gewehr dabei. Die Büffel änderten kaum die Richtung, sie blickten jetzt aber in die Richtung der Jäger, auf die sie direkt zuzulaufen schienen. In diesem Jahr hatten die Büffel in dieser Gegend schon elf Menschen getötet, die ihnen unbedacht zu nahe gekommen waren. Holten hatte in diesem Moment nur ein Gefühl der Furcht vor diesen riesigen, wild aufstampfenden Tieren. Vor seiner Jagdreise hatte er eine Geschichte von Hemingway gelesen, in der ein amerikanischer Jäger vorkommt, der wegrennt, als ihn ein Löwe annimmt. Er ließ seinen Professionell Hunter im Stich, der allein den angreifenden Löwen erschießen musste, damit er keinen aus der Jagdgruppe tötet. War Holten auch so ein Feigling? Die Büffel rannten auf ihn zu und er duckte sich, obwohl er von ihnen schon längst ausgemacht war. Der Gedanke, dass hinter ihm die Schlucht war, beruhigte ihn, hier würden die Büffel nicht folgen können, ohne sich die Beine zu brechen. Er stand wieder auf, die Waffe bereit im Anschlag, einen Schuss wollte er noch abgeben, bevor er in die Schlucht hinunter rutschen würde. Doch die Büffel liefen nicht genau auf die Gruppe zu. Er sah jetzt, dass sie auf die halbe Strecke zwischen Felsen und ihn herangekommen waren. Erst durch Joes Schuss waren sie auf die Jäger aufmerksam geworden. Wenn sie ihre Richtung beibehielten, dann werden sie 30 Meter an dir vorbeilaufen, blitzte es ihm durch den Kopf. Er hätte dann Zeit, seinen Büffel eine zweite Kugel anzutragen. Die Büffel starrten ihn an, ohne ihre Richtung zu ändern, jetzt musste er schießen, auch das freistehende Schießen hatte er geübt mit dieser schweren Büchse. Und auf diese Entfernung war es sogar leichter als auf den „laufenden Keiler“ des heimischen Schießstandes. Aber welchen der beiden Büffel sollte er beschießen, er sah keine Wunde, kein Blut an ihnen. Wenn er dem unverwundeten beschießen würde, verstieß er gegen die Regeln, musste evtl. 2000 Euro umsonst hinblättern. Als er sich entschloss, nicht zu schießen, waren die Büffel auch schon vorbei, nur ihr Hinterteil bot noch Gelegenheit für einen Schuss. Joe sprang hinter ihm hervor und lächelte. Habe ich ihn getroffen, fragte Holten auf Englisch und Joe nickte. „A good shot.” Die Spannung löste sich allmählich von Holten, und nach der Auskunft des Professional Hunters machte sich allmählich ein breites Lächeln auf seinem Gesicht breit. Man fand Blut, helles Blut. Also Lungenschuss sagte Joe, wir werden ihn bald finden, der kommt nicht weit. In diesem Moment wusste Holten noch nicht, dass Joe einen zweiten kapitalen Fehler begangen hatte. Er hätte ihn nicht auf den liegenden Büffel schießen lassen sollen, und nun deutete er vorschnell das frische Blut als Lungenschweiß. Holten kamen erste Zweifel, als er die zwar deutliche, aber doch geringe Menge Blut sah, die die Fährte kennzeichnete.
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